02.11.2023
Sitz‘ nicht bei den Empörten

  Ich bin happy. Endlich habe ich Urlaub. Heute steht eine Tour mit einem Ranger des Naturparks auf Rügen auf dem Plan. An einer Holzbank angelangt, bekommen wir die Info, wie viele Jahre es gedauert hat, bis diese Bank an dieser Stelle stehen durfte. Es ist nicht nur eine einfache Sitzgelegenheit. Hier steht ein Beispiel deutscher Bürokratie. Die Gruppe raunt und wir gehen weiter.

 

Durch die Bäume hindurch kann ich auf Ostsee schauen. Ich entdecke viel mehr Schiffe als im letzten Jahr. Da mache ich einen folgenschweren Fehler: Ich frage, ob diese Schiffe etwas mit dem LNG-Terminal zu tun haben. Die kurze Antwort wäre ja gewesen; leider gibt es eine lange Rede. Alles sei ein Skandal. Die Politiker hätten Zulassungsprozesse abgekürzt.

Jetzt kommt Stimmung auf. Es beteiligen sich einige aus der Wandergruppe im Empörtsein. Dies ist schlecht. Das ist schlecht. Alles ist schlecht. Die miese Laune gefällt mir nicht. Ich flüchte ein paar Schritte weiter. In Ruhe genieße ich wieder den Ausblick. Nach langen Minuten kehre ich zurück. Es dauert noch ein wenig, bis sich auch die letzten Luft gemacht haben.

Ja, ich erlebe auf dieser Tour viel Natur. Schönes und Interessantes gibt es zu entdecken. Es war wunderbar. Und doch höre ich, dass es schlecht ist, wenn in Deutschland etwas lange dauert – oder, wenn es beschleunigt wird. Ich höre, dass Holz, Kohle, Gas und Kernenergie schlecht seien; Wind natürlich auch. Alles ist schlecht.

Ich bin baff. Da ist eine Gruppe von Menschen und empört sich. Wir sind doch im Urlaub. Wir laufen durch wunderschöne Natur. Wir erleben Strand und Meer. Die frische Luft weht um die Nase. Es geht mir gut. Ich habe mehr, als ich zum Leben brauche.

In Psalm 1 heißt es: Sitz‘ nicht bei denen, die lästern, sondern habe deine Lust an Gottes Wort und Weisung. Das habe ich viele Jahre nur als Zeigefinger gehört. Ganz nach dem Motto: Grenz dich ab und sei brav. Jetzt habe ich den Eindruck, wer immer das geschrieben hat, kennt meine Gedanken. Kein Zeigefinger, sondern Wirklichkeitsbeschreibung. Sitz‘ nicht bei den Empörten, sondern habe deine Lust an Gottes Wort und Weisung.

Verdruss macht verdrossen. Empörung, empört. Lästern belastet. Am Ende ist alle schlecht.

Nein. Da mache ich nicht mit. Ich will mir weder Urlaub noch das Leben im Allgemeinen vermiesen lassen. Ich habe lieber meine Lust an Gottes Wort und Weisung. Da lese ich, dass die Schöpfung gut ist. Ich lese, dass der Mensch gelungen ist und gut. Zumindest gut genug, um diese Welt zu bebauen und zu bewahren. Ich lese von einem Gott, der seine Menschen liebt.

Da wehen mir Freiheit, Zutrauen und Hoffnung um die Nase. Das klingt nach Mut und anpacken, nach Möglichkeit und Zukunft. Das macht Lust aufs Leben.

 

 

 

Pfr. Manfred Kiel

Schönhausen (Elbe)