28.09.2022
Eine Andacht zu Erntedank

Rückblick: Ich sitze mit meiner kirchlichen Kollegenschaft zusammen und die Liste für die Zeitungsandachten 2022 geht im Kreis herum. Meine Wahl fällt auf den 2. Oktober. Es ist der Sonntag zum Erntedankfest. Und ich denke noch: „Eine Andacht zu Erntedank zu schreiben, ist eine dankbare Aufgabe.“

Erntedank gehört zu den sinnlichen Festtagen im Kirchenjahr. Bodenvasen schmücken sich mit herrlich gefärbten Hortensienrispen und Schilfgras. Ein paar Zweige mit roten Hagebutten und zartgrüne Hopfenlianen setzen gekonnt Akzente. Auf dem Altar liegen auf weißem Leinentuch blaue Trauben und frisch gebackenes Brot. Neben großen orangenen Kürbissen, ein paar Zuckerrüben sowie langen Zucchini verbreiten Schalen mit gelben Quitten und schönen Äpfeln ihr liebliches Aroma. Daneben finden sich Drahtkörbe mit den unterschiedlichsten Kartoffelsorten und Kisten mit Zwiebeln, Kohlrabis, Blumenkohl und ein paar Bunde roter Möhren dekoriert. Auch Spannkörbe mit Pflaumen und Walnüssen gefüllt nehmen wie gewohnt ihren Platz auf den Altarstufen ein. Selbst kleine Körbchen mit gesammelten Kastanien und Eicheln werden manchmal von Kindern dazu gestellt. Und kleine Zierkürbisse verschiedenster Form und Couleur runden das ganze Bild ab.

Ich liebe es, wenn Leute ihre Kirchen zum Erntedankgottesdienst mit den Erntegaben aus Garten, Feld und Flur schmücken. Über die Jahre bringen manche auch Gemüsebüchsen, Tüten mit Mehl, Zucker oder Nudeln mit. Einmal entdeckte ich sogar, hinter den üblichen Erntegaben ein wenig verdeckt, eine Tüte Gummibären. Der Anblick ließ mich schmunzeln. Andererseits hatte da jemand den alten Liedvers „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn!“ und dem Sinn vom Erntedankfest weiterdenkend verstanden.

Als Christen erinnern wir uns, dass nichts selbstverständlich ist und danken Gott nicht nur für die alljährliche Ernte, sondern auch für alles, was wir zum Leben brauchen. Und da gehört eben auch der Genuss wie z.B. das Naschen von Gummitieren dazu.

In diesem Sinne könnten wir Zettel beschriften, wofür wir Gott, dem HERRN noch alles dankbar sind. Der eine würde Gesundheit und seine Enkelkinder draufschreiben, der andere vielleicht die letzte Urlaubsreise. Und ganz sicher würde Frieden auf einem Zettel stehen, gerade angesichts seiner Brüchigkeit und des Krieges im Osten Europas.

Das Erntedankfest lässt mich immer wieder sensibel dafür werden, wie angewiesen und abhängig wir Menschenkinder voneinander sind. Das sich ändernde Klima mit seinen Auswirkungen für die Landwirtschaft, ja die gesamte Schöpfung, die Corona-Krise und der Ukrainekrieg haben dies mittlerweile wieder für alle deutlich und zudem teils schmerzlich spürbar gemacht.

Ich denke wieder an den Liedvers: „Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt, und hofft auf ihn.“ und an meine Gedanken im letzten Jahr: „Eine Andacht zu Erntedank zu schreiben, ist eine dankbare Aufgabe.“

Wie aber sieht es mit dem Dank und der Hoffnung aus, wenn durch schwere persönliche Krisen, einer ernsten Diagnose oder dem Verlust eines geliebten Menschen an meiner Seite, ich plötzlich den Boden unter den Füssen verliere oder ins Zweifeln komme? Wie kann ich dankbar sein oder bleiben trotz verwundetem Herzen?

Die Erntegaben in den Kirchen kommen mir in den Sinn. Manches Gemüse ist krumm gewachsen, eine Quitte, ein Apfel haben mitunter schon mal eine braune Stelle. Aber auch sie haben ihren Platz am Altar und sind gleichzeitig ein Sinnbild für unser brüchiges Leben.

Es braucht wohl seine Zeit und noch manche Träne bis man wieder ruhig mit singen kann: „Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt, und hofft auf ihn.“ Bis dahin, gib nicht auf, denn Gott, der HERR hat die Größe zu warten. Dafür sage ich dieses Jahr persönlich „Gott sei Dank“ und hoffe drauf.

Pfarrerin Janette Obara aus Arneburg