08.11.2022
„Volks-Trauer-Tag“ - Eine Wanderung über den Badinger Friedhof

Wie ist es um die Beerdigungskultur und die „Volkstrauer“ bestellt? Der Badinger Friedhof legt darüber Zeugnis ab.

Wenn man den Gottesacker durch das Haupttor betritt, kommt man auf der linken Seite, an der Trauerhalle vorbei, gleich zur halbanonymen Gemeinschaftsurnenanlage. Hier erinnern Grabplatten im Boden an die Namen der Verstorbenen. Auf einem großen Stein steht „In Frieden“. Wer soll mal die Gräber pflegen? Das ist die Frage, die sich viele Angehörige gestellt haben und stellen. Normales Grab oder halbanonyme Gemeinschaftsurnenanlage? Oder vielleicht doch Seebestattung, Friedwald oder „grüne Wiese“?

Geht man auf dem Weg weiter, kommt man zu den Denkmälern für die Opfer der Weltkriege. Diese Mahnmale erinnern auch an alle Opfer von Kriegen. In der Ukraine, in Äthiopien, im Jemen, in Syrien und überall, wo Menschen gegen Menschen Krieg führen. Neben der Kirche ist ein Grab, auf dessen Kreuz „2 unbekannte Soldaten“ steht. Hier sind die sterblichen Überreste von 2 deutschen Fliegern beerdigt, deren Flugzeug in der Nähe von Badingen abgeschossen wurde. Und weiter hinten auf dem Friedhof gibt es auch ein Grab für 9 sowjetische Soldaten. Auf dem hölzernen Grabkreuz ist nur der rote Stern. In der Kirche gibt es auf der Taufsteinseite eine große hölzerne Tafel mit den getöteten Badinger Soldaten aus dem 2 Weltkrieg. Diese Tafel macht auf eine wichtige Tatsache aufmerksam. Auch die Badinger Soldaten, die nicht hier beerdigt werden konnten, sollen nicht vergessen werden. Sie sind, genauso wie Verstorbenen aus Badingen nicht einfach anonyme Tote, die auf der „grünen Wiese“ verbuddelt wurden. Im Tod sind die Verstorbenen alle gleich. Die deutschen und die sowjetischen Soldaten, die namenlos beerdigt wurden, und die Badinger, die ihre letzte Ruhestätte auf den Friedhof rund um die Kirche gefunden haben.

Auf dem Badinger Friedhof gibt es gottseidank keine anonyme Beerdigung, wo ein kommunaler Friedhofsarbeiter die Urnen irgendwann auf der „grünen Wiese“ vergräbt. Als wenn es die Menschen nie gegeben hätte. Anhänger der „grünen Wiese“ sagen: „Ja, ich kann mich ja auch auf der grünen Wiese an meine Angehörigen erinnern!“ Das ist schon richtig, aber wer waren sie? Grabsteine und Kreuze erzählen auch etwas über die Verstorbenen und die „Volkstrauer“. Auf dem Badinger Friedhof gibt es z.B. die Gräber der Familie Dequin hinter der Kirche, die Gräber der Pfarrfamilie Hofmüller in nächster Nähe zum ehemaligen Pfarrhaus und das Grab von Friedhelm Matthies, der neben seinem Sohn beerdigt wurde. Kreuze auf den Gräbern erinnern an den Glauben der Verstorbenen. Kornähren an die Tätigkeit in der Landwirtschaft und die Notenlinien auf dem Grab von Herrn Pfeiffer erinnern an seine Vorliebe für Musik.

Die Gräber auf dem Badinger Friedhof erzählen von den Verstorbenen. Sie mögen in Frieden ruhen und sollen nicht vergessen werden. Bevor wir den Badinger Friedhof (und diese Andacht) auf der Rückseite verlassen noch ein Gebet: Allmächtiger Gott, Herr über Leben und Tod. Du bist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In deine Hand haben wir die Toten zur letzten Ruhe gebettet. Wir können nichts mehr für sie tun. Uns bleiben nur die Erinnerungen und die Hoffnung, dass du für ihn sie da bist und die Trauernden tröstest.

Amen.

 

 

 

von Stefan Kemper-Kohlhase (ev. Pfarrer in Kläden)