31.10.2021
Das Wort zum Reformationsfest 2021
Wort aus der Kirche zum Reformationsfest 2021
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Galater 5,1
Diejenigen unter uns, mit einer klaren Erinnerung an das Jahr 1989 werden noch wissen: Freiheit war ein gutes Wort! Es roch nach dem Ende von Bevormun-dung, nach durchlässigen Grenzen und Westseife. Aber längst ist klar, dass sie doch auch anstrengend sein kann, diese neugewonnene Freiheit. Und für viele hier im Ostteil Deutschlands hat sich neben Ernüchterung auch Verklärung eingestellt. Ja, der Zugewinn an Freiheit kostet auch ein Stück Geborgenheit! Für Martin Luther und seine Mitstreiter jedenfalls wirkte die oben zitierte Bibelstelle (Galater 5,4) wie ein Schlüssel: „Die Freiheit eines Christenmenschen“ wurde zum Leitthema der Reformation. Es ist schon ein gewichtiges Wort, wenn der Autor Paulus sagt: „Ihr seid zur Freiheit berufen!“
„Die Gefangenen sollen frei sein!“ Das hört man mit Begeisterung, damals, wie heute. „Wir werden sein wie die Träumenden.“ So klingt es im Psalm 126.
Wie oft haben wir den gebetet, immer wieder montags im heißen Herbst 1989. Ja, wenn die Ketten fallen, die Gefangenen nach Hause ziehen und Freiheit anbricht. Das riecht nach Trabbi-Geknatter und offener Grenze. Natürlich ging es Martin Luther zuerst um eine geistliche Freiheit. Weg mit der Angst vor einem zornigen und strafenden Gott. Weg mit dem Irrglauben, man könne sich die Freiheit vor Gottes Gericht erkaufen. „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Was für eine perfide Ideologie, fern ab jeder biblisch begründeten Theologie. Stattdessen die befreiende Erkenntnis der Reformatoren: Allein der geschenkte Glaube, allein Gottes Gnade und allein Christus schaffen Freiheit bei Gott. Mit der Initialzündung im Jahr 1517 in Wittenberg hat befreiend Neues in der Welt begonnen. Dennoch gilt in Kirche, wie Staatswesen: Freiheit ist ein verletzliches Gut. Sie zu schützen war, ist und bleibt eine mühsame und dauerhafte Aufgabe. Denn die verklärende Sehnsucht zurück nach einem alles regulierenden, vermeintlich fürsorglichen, aber totalitären Staat bleibt verlockend. Wie rasch erobern wieder Demagogen die Bühne.
„Nächstenliebe verlangt Klarheit“, so lautet das neue protestantische Motto gegen alle extremistischen Ideologien. So sollen Christenmenschen wirksam werden in unserer Welt, wie das Salz in der Suppe. Dazu braucht es Mut und Gottvertrauen; wie bei den Reformatoren. Das schenke uns Gott!
Superintendent Michael Kleemann - Stendal