23.08.2020
Das Wort zum Sonntag vom 23.08.2020

Alles richtig gemacht?

Die Tage der Schulzeugnisse liegen schon etwas zurück. Jetzt in den Sommerferien suchen wir nach anderen Eindrücken. Anders als sonst stehen für viele nicht die gewohnten großen Reisen im Mittelpunkt. Ein Besuch hier, eine Radtour dort: Eindrücke sammeln, Entspannung tanken, ungeplant in den Tag hinein leben  Überall begleitet einen doch die  „AHA“-Regel: Sich  corona-gemäß  zu verhalten. 
Vieles davon habe ich inzwischen automatisiert und dennoch gibt es fast täglich kleine Momente der Überlegung und der Prüfung: Stopp! Geht das jetzt so? Was muss ich tun ? So hat auch unser Bundespräsident für fünf Sekunden eine Regel nicht beachtet.

Typisch deutsch wollen wir alles richtig machen. Wir wollen Fehler vermeiden und drängen darauf, dass andere sich ebenso an die Regeln halten, wie wir selbst.
Und plötzlich erinnere ich mich an einige entspannte Eindrücke aus zurückliegenden Tagen in Skandinavien. Zum Beispiel an die vielen freundlichen Begrüßungen, das Zulächeln oder Winken der Einheimischen, wenn ich meine morgendliche Runde lief. Ich vergegenwärtige mir die Entspanntheit, die die dänischen Nachbarn zeigten, selbst wenn ärgerliche Situationen entstanden.
Ja, bei  glücklichen Menschen zu Gast, habe ich die eine und andere Situation vor Augen, die auch mich ruhiger werden ließ: Zeit lassen, durchatmen, nicht urteilen.
Wie gut, wenn wir aus  Zeiten, wo wir den Stress fallen lassen können, etwas mitnehmen, was für die anderen Tage wegweisend ist. Wenn wir von dem Glück der freien Tage etwas hinüberretten in die Spannung des Alltags.
Im Grunde finde ich genau das auch im Evangelium für diesen 11. Sonntag nach Trinitatis. Dort heißt es: „ Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“. Jesus hatte gerade zuvor am Beispiel des Pharisäers und des Zöllners deutlich gemacht: Es geht nicht darum, alles richtig zu machen. Nicht darum, besser zu sein als die anderen und auch nicht darum, andere zu bewerten und zu beurteilen, um selber gut dazustehen.
Jesus war sich sicher, dass dieses „um die eigenen Schwächen wissen“, dieses  „die Fehler eingestehen“ und doch als Mensch leben dürfen, befreit und glücklich macht – einen selbst und die anderen, denen ich das auch zugestehe.
In diesem herausfordernden Jahr 2020, in dem vieles so anders ist, wäre es ein  Gewinn an Lebensqualität, wenn wir einander achten, wenn wir den anderen nicht aburteilen, wenn wir grüßen, respektieren und wertschätzen - auch mit sozialer Distanz. Am Ende wird das Glück zu uns zurückfließen.
Wir müssen nicht alles richtig machen. Ich wünsche uns Gelassenheit, mit den notwendigen Regeln zu leben. So kann ein lebendiges, aber unaufgeregtes Engagement für ein respektvolles und verantwortliches Miteinander unter uns Platz finden.

Ulrich Paulsen im  August 2020