01.11.2025
Worte aus der Kirche zum 02.11.25
Novemberspaziergang
Ich trete aus dem Haus und spüre sofort die feuchtkalte Luft in meinem Gesicht. Meine Hände wandern automatisch in die Jackentaschen. Unter meinen Füßen raschelt das Laub. Eine Kastanie knallt auf das regennasse Autodach neben mir. Aus der aufgeplatzten Schale springt der braune Kern und rollt auf den Gehweg. Ich werde langsamer, Schritt für Schritt, und kicke dabei die Kastanie die Straße entlang. Ich merke deutlich, dass ich Zeit brauche, mich an den Herbst zu gewöhnen. Die Tage werden spürbar kürzer. Mir fehlt das Licht und vor allem die Farben. Der goldene Oktober ist vorbei. Der November kommt dagegen eher still und trübsinnig daher.
Doch gerade in diesem Monat kommen Menschen in Kirchen oder auf Friedhöfen zusammen, um sich gemeinsam an die zu erinnern, die ihnen fehlen. Sie nehmen sich Zeit für das, was im Alltag eher schwerfällt oder untergeht: sie halten inne. Stelle ich meine äußere Betriebsamkeit ein, warten nicht immer nur angenehme Gedanken und Gefühle auf mich. Wie oft sagen wir, der Tod gehört zum Leben dazu, aber wer lässt ihn schon gerne in seinen Alltag? Rückzug, Ruhe, Besinnung – es ist nicht leicht, dem Raum zu geben. Man könnte fragen: „Warum ausgerechnet im November? Der ist doch schon traurig genug.“ Die Natur zieht sich zurück. Scheinbar ausgebremst konzentriert sie ihre Kraft im Samen der Pflanzen und deren Wurzeln. Alles vergeht.
„Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ heißt es in Psalm 126.
„Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.“
Mir gefällt die Vorstellung, dass Tränen wie gute Samen sind. Sie sind nicht vergebens. Sie bereiten den Weg für Neues.
Das Tempo drosseln, trotz allem, was anliegt, das ist meine Empfehlung für den November. Zeit haben, für das, was mir im Alltag eher schwerfällt oder untergeht, vielleicht mit anderen zusammen. Dafür könnte man die Tage vor dem turbulenten Advent nutzen. Nasskalt ist die Luft, erdig riecht es, Blätter fallen. Aber ich weiß, die glänzende Kastanie zu meinen Füßen hat Potential. Am Ende kicke ich sie in die Blumenrabatte und denke, vielleicht wächst ja was draus.