Aug 10, 2025
Worte aus der Kirche zum 10.08.2025
Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind – Eine Kirche in Sachsen-Anhalt mit viel Platz für die vielen Familien im Dorf, damit sie feiertags hinaufziehen können zum Haus, in dem Gott wohnt.
Dann rufen die ehrwürdigen Glocken, dann klingt die gewaltige Orgel und Morgenlicht dringt durch die bunten Bleiglasfenster. Ratlos schauen zwei Kinder in ihre Gesangbücher. Es ist düster und sie können nicht lesen, genau wie der Mann aus der Außenwohngruppe ganz vorn. Sie lassen ihre Fellstiefel von den hohen Bänken baumeln. Da ruft der Mann: „Mir ist zu kalt“. Er geht. Die Muttis flüstern den Mädels zu, dass sie aber noch bleiben werden. Die übrigen fünf Besucher starren auf den schmucklosen Altar. Ich höre die Anklage eines Dorfbewohners vor einiger Zeit: „Es ist doch Aufgabe des Pastors, die Kirche zu füllen.“
Ja, ein Heiligtum voller Menschen, das wäre ein Traum! Und verheißt es nicht auch der Predigttext? „Viele Völker machen sich auf den Weg und sagen: Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus, in dem der Gott Jakobs wohnt! Er soll uns seine Wege lehren. Dann können wir seinen Pfaden folgen.“ (Jes 2,3)
An einem Werktag sitzen wir auf einem Parkplatz neben der Dorfstraße, die ins Nichts führt. Es wird Regen geben. Trotzdem haben Menschen hier ausrangierte Tische und Stühle aufgestellt. Es gibt selbstgebackenen Kuchen und Tee aus Kräutern, frisch aus dem Beet. Die Männer der Außenwohngruppe kommen im Bulli, genießen den Kuchen, begrüßen alle Gäste. Einer setzt sich an meinen Tisch: „Du kennst mich doch?“ Kinder spielen im Umsonstladen und stöbern im Bücherschrank. Eine Lehrerin schwatzt mit meinem Kind und schenkt mir Zeit zum Zuhören. Eine Kunstpädagogin berichtet von ihrem Sozialraum-Projekt. Ein Ortschaftsrat kommt herzu und wir reden über die nächsten Familienfeiern im Dorf. Vom Fahrrad grüßt ein junger Mann. Gemeinsam hatten wir zwei Kleinkinder vor einem Winteraufenthalt in einem kroatischen Asylantencamp gerettet. Am Ende der Straße steht Gottes Haus. Heute ist es leer. Denn ER lässt es sich nicht nehmen, hinaufzuziehen zu den Menschen, die seinen Pfaden folgen. Solidarisch, schöpfungsbewahrend, friedensuchend, menschenfreundlich, gemeinschaftsstiftend. Die Kinder streifen ihre Schuhe von den Füßen. Denn sie wissen es: Hier ist heiliges Land.
Maria Eichenberg, Schulpfarrerin im Kirchenkreis Salzwedel