19.10.2025
Worte aus der Kirche zum 19.10.2025

Liebe Leserinnen, liebe Leser! Als ich vor einiger Zeit von einer dreiwöchigen Kur an der Ostsee nach Hause kam, war unsere Tochter mit ihrer Familie zu Besuch.

Sie leben sonst in Helsinki. An manchen Tagen lief unser jüngster Enkel durch das Haus und rief fröhlich „Die Sonne scheint!“. Und tatsächlich, immer dann, wenn die Sonne durch die Wolkendecke brach, rief er fröhlich „Die Sonne scheint!“. Je öfter ich darüber nachdenke, desto mehr staune ich darüber, wie ein Dreijähriger sich so sehr über scheinbar einfache Dinge, wie das Scheinen der Sonne, freuen kann. Für mich ist es selbstverständlich, dass die Sonne am Tag scheint, auch wenn sie manchmal hinter einer dicken Wolkendecke nicht zu sehen ist. Das löst bei mir kaum einen Freudenschrei aus – anders als bei unserem Enkel.

Da muss ich an ein Wort Jesu denken, dass er einmal an seine Jünger gerichtet hat: „Wenn ihr nicht umkehrt werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen“  Jesus stellt also Kinder als Vorbild hin und fordert seine Jünger auf, so zu werden wie die Kinder. Kinder können sich noch über die einfachen Dinge des Lebens freuen, die uns Erwachsenen oft selbstverständlich sind.  Für uns, die Erwachsenen, die wir meist mit dem Alltäglichen beschäftigt sind, fehlt manchmal der Blick für die einfachen und schönen Dinge des Lebens.  Gerade in den Zeiten, in denen wir momentan leben, fällt es mir schwer, das Schöne zu entdecken und mich darüber zu freuen.  Können wir uns über die bunte Laubfärbung der Bäume im Herbst freuen?  Nehmen wir uns die Zeit, den Rufen der Kraniche und der Gänse auf ihrem Flug gen Süden mit einem Blick zum Himmel zu folgen?  Können wir uns noch über die vielen schönen Äpfel und das andere Obst freuen, das an den Bäumen gewachsen und gereift ist?  Nehmen wir uns die Zeit, über die scheinbar selbstverständlichen Dinge, die unser Leben schön machen zu freuen?  Oder sind wir in den negativen Dingen des Lebens gefangen?  Können wir uns darüber freuen, dass der Krieg in Gaza endlich zu Ende ist und dass die israelischen Geisel endlich freigelassen wurden und  sie zu ihren Familien zurückkehren konnten? Können wir uns mit den Menschen in Gaza freuen, dass der Krieg mit Tod und Zerstörung  endlich ein Ende gefunden hat und dass so viele Gefangene freikommen?  Können wir uns mit denen freuen, denen es gut geht?  Sicherlich, die Realitäten des Lebens bleiben uns erhalten und denen müssen wir uns an jedem Tag neu stellen. Und doch, vielleicht hilft es, wenn wir uns, wie Kinder, über die schönen Dinge freuen.  In diesem Sinn: „Die Sonne scheint!“

 

Pfarrer i.R. Ronald Smorodinzeff aus Bismark