24.05.2022
Das Wort zu Himmelfahrt

Grünkäppchens Himmelfahrt

von Stefan Kemper-Kohlhase - Ev. Pfarrer in Kläden

Am Christi Himmelfahrtstag fuhr Grünkäppchen, der Junge aus Grünenwulsch, mit dem Fahrrad zu seinen Bekannten nach St. Einfeld. Auf dem Dorfplatz mit den Findlingen sollte wie jedes Jahr der ökumenische Freiluftgottesdienst zu Christi Himmelfahrt stattfinden. Die St. Einfelder hatten alles vorbereitet zum „Kirchenkaffee“ mit gemütlichem Beisammensein, Würstchen, Kartoffelsalat und Kaffee nach dem Festgottesdienst. Die Bläser aus Turm-Au waren auch schon zu hören. Die Melodien von „Wie lieblich ist der Maien“, „Geh aus mein Herz und suche Freud“ und „Großer Gott, wir loben dich“ klangen zu Grünkäppchen herüber. Er summte fröhlich mit. Endlich! Die Pandemie näherte sich ihrem Ende und die bleierne Schwere der Seuche schien vom Land gewichen zu sein. Erleichterung war zu spüren und Lebensfreude. Grünkäppchen dachte an die vielen „Karfreitags-Erlebnisse“ der Coronazeit. Er dachte an die Trauerfeier für den Schäfer aus Bad Ingen und die anderen Gestorbenen, die nur im engsten Familienkreis unter freiem Himmel beerdigt werden durften. Ohne Gesang und ohne Beerdigungskaffee mussten die Angehörigen Abschied nehmen. Keine Totenklage und kein gegenseitiges Trostspenden. Bejammernswert war das gewesen, und bei vielen Menschen hatte das Narben an der Seele und am Herzen hinterlassen. Grünkäppchen dachte auch an die Angst vor Berührungen beim Einkaufen und die Einsamkeit der Alten in ihren heimischen „Gefängnissen“. Aber nicht alles war schlecht und beklemmend gewesen. Es hatte auch „Oster-Erlebnisse“ gegeben. Der Weihnachtsgottesdienst in St. Einfeld z.B. war wie eine Auferstehung gewesen. Einige forsche und nichtkirchliche Muttis hatten ein Krippenspiel mit ihren Kindern organisiert. Die Feuerwehr hatte für Beleuchtung und Lautsprecher gesorgt. Die Pfarrfrau für die Musiker und Gottvater für den Schnee. So hatten sie alle auf dem Dorfplatz mit den Findlingen gestanden und lautestmöglich „O du fröhliche“ am Ende des Weihnachtsgottesdienstes gegrölt. Man wollte sich nicht hoffnungslos machen lassen. Die Angst sollte nicht siegen, sondern Mitmenschlichkeit, Freude und Hoffnung.

Und nun am Himmelfahrtstag freuten sich die St. Einfelder auf die Gäste aus der Region.

Und so wurde beim Gottesdienst freudig gesungen: „Nun danket alle Gott / mit Herzen, Mund und Händen, / der große Dinge tut / an uns und allen Enden“.

Und Grünkäppchen betete die Fürbitte mit den Gottesdienstteilnehmern: Herr Jesus Christus, gekreuzigt und auferstanden, wir sind deine Jüngerinnen und Jünger. Komm mit dem Himmel zu uns. Schick uns den Heiligen Geist. Er stärke uns durch deine heilige Gotteskraft. Sei bei uns. Wohne in unseren Herzen, damit deine Liebe uns verwandelt. Danke, dass du uns am Himmelfahrtstag verlassen und auf die eigenen, christliche Füße gestellt hast.

Amen.

Und sollten sie sich gefragt haben, ob der Klädener Pfarrer wieder Wahlwerbung für Bündnis 90/die Grünen macht? Nein! Grün ist die Farbe der Hoffnung! Und alle, die gemäß Jesu Missionsbefehl vom Himmelfahrtstag auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind, tragen durch den Glauben gewissermaßen ein unsichtbares „Grünkäppchen“ der Hoffnung. Und der Hoffnungsort für den gelebten Glauben ist die Kirche Jesu Christi mit den vielen Konfessionen, der gelebte Glauben im Alltag mit der helfenden Hand und der Gemeindegottesdienst mit Predigt, Gebet und Gesang.