12.12.2021
Das Wort zum Sonntag dem 12.12.2021
Wunderzeit Advent
Seit über zehn Jahren ist das nun Tradition. Irgendwann in den Tagen nach dem 1. Advent klingelt bei mir das Telefon. Es meldet sich ein älteres Ehepaar. Wir tauschen die Neuigkeiten des letzten Jahres aus und freuen uns, dass alle gesund sind - gerade in diesen Zeiten. Dann kündigen die beiden ihre Weihnachtsspende an. In diesem Jahr sind es 10.000 €, ausdrücklich bestimmt für bedürftige Kinder und Familien. Festtagsbraten und Süßigkeiten, Spielzeug und Stifte, Bettwäsche und Haushaltsgeräte... Mit 10.000 € kann man schon das eine oder andere Gute tun. In der kommenden Woche werden wir gemeinsam mit dem Verein „Lebendige Steine“ die Geschenke an Kinder und Familien im Stadtsee-Viertel verteilen. Es gibt schlimmere Termine, finde ich.
Sicher, die beiden können es sich leisten, großzügig zu sein. Auch können sie die Spende von der Steuer absetzen. Aber das ist nicht wichtig, finde ich. Wichtig ist das Zeichen. Es gibt noch Wunder, bei Reichen und bei Armen. Advent ist Wunderzeit, wenigstens ein bisschen. Da verzaubern wir nicht nur unsere Straßen und Zimmer; vielleicht sogar uns selbst. Wir könnten es jedenfalls, wenn wir wollen.
Wunder sind gar nicht so schwer, wie es vielleicht klingen mag. Einfach mal anders sein; die alten Kämpfe ruhen lassen. Den Streit in der Familie vielleicht, den Zwist mit den Kollegen oder Nachbarn: einfach sein lassen. Ein bisschen Glanz bringen in die traurigen Geschichten. Mit denen teilen, die weniger haben als wir. (Es müssen ja nicht gleich 10.000 € sein.) Sich mit denen freuen, die andere beschenken. Oder die Menschen freundlich ansehen, an denen wir sonst achtlos vorbeigehen. Das geht, wenn man es sich vornimmt.
Einfach mal so sein, als leuchte uns die Welt, als sei Gott uns ganz nahe. Ist er ja auch, wenn wir es sehen wollen. Wo Liebe leuchtet zwischen Menschen; wo die alte Sachen begraben werden und Menschen einander verzeihen, ist Gott ganz nahe. Gott ist Liebe, heißt es in der Bibel (1. Joh. 4,16). Wenn das wahr ist, dann ist er denen nahe, die lieben und geliebt werden. Nahe wie der Glitzer in den Straßen und das Leuchten in unseren Zimmern. Advent ist Wunderzeit. Ein kleines Wunder zu sein, geht immer - auch bei uns.
Markus Schütte,
Dompfarrer in Stendal