18.10.2021
Das Wort zum Sonntag dem 17.10.2021
Seid barmherzig…
Liebe Leserinnen und Leser! Seit über 290 Jahren gibt es in der Herrnhuter Brüdergemeinde die Tradition, für jeden Tag, jede Woche, jeden Monat und jedes Jahr ein Wort aus der Bibel auszulosen. Dieses Bibelwort, auch Losung genannt, möchte den Meschen, denen es wichtig ist, ein treuer Begleiter im Alltag sein. Eben an jedem Tag, in jeder Woche, jedem Monat und Jahr. Diese Tradition hat sich auch in unserer evangelischen Kirche im Laufe der Zeit verbreitet. Eine gute Tradition ist die Jahreslosung, die uns in den Kirchen und Gemeinden ein Jahr lang begleitet. Für das Jahr 2021 stammt dieses Wort aus dem Lukasevangelium und heißt:“ Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Nun ist zwar das Jahr 2021 nicht mehr allzu lang, aber ich möchte uns dieses Wort noch einmal in Erinnerung rufen, weil man meines Erachtens nicht oft genug daran erinnert werden kann. Es ist heute noch genau so aktuell wie vor fast 2000 Jahren. Wenn man sich in unserer Welt umschaut, wie Menschen manchmal miteinander umgehen und was sie einander antun, kommt schon die Frage auf, wo die Barmherzigkeit bleibt? Aber, so möchte ich an dieser Stelle fragen, was bedeutet es eigentlich barmherzig zu sein? Ist das nicht ein veralteter Begriff, der heute nicht mehr allzu häufig benutzt wird? Barmherzigkeit ist wohl mehr als bloßes Mitgefühl oder Mitleid. Mehr als wenn man das Leid anderer Menschen noch wahrnimmt, sich aber achselzuckend abwendet, weil man ja eh nichts machen kann. Es besteht ja die Gefahr, dass man bei all den traurigen Nachrichten, die man durch die verschiedenen Medien wahrnimmt, abstumpft und ein Stück gleichgültig wird. Barmherzigkeit dagegen meint, dass man die Not des anderen Menschen war nimmt und versucht ihnen zu helfen. Bei Wikipedia heißt es „Eine barmherzige Person öffne ihr Herz fremder Not und nimmt sich ihrer mildtätig an“. Bei der Barmherzigkeit gehört neben dem Mitleid auch die helfende Tat, die versucht die Not zu wenden oder zu beenden. Im Lukasevangelium erzählt Jesus dazu eine Beispielgeschichte: ein Mensch reiste von Jerusalem nach Jericho und wurde von Räubern überfallen, ausgeraubt und verletzt liegen gelassen. Später kamen auf demselben Weg zwei Menschen vorbei, die im Jerusalemer Tempel täglich dienst taten und sich eigentlich mit den göttlichen Gesetzen auskannten. Als sie den Verletzten sahen, ließen sie ihn einfach liegen und gingen schnell vorbei. Als Dritter kam einer vorbei, den man als eine Art Ausländer ansah. Als er den Verletzten sah, ging er zu ihm, versorgte seine Wunden und kümmerte sich darum, dass der Verletzte in einer Herberge so lange versorgt wurde, bis er wieder gesund war. Das ist Barmherzigkeit. Einen Menschen sin seiner Not wahrzunehmen und ihm zu helfen. Daran möchte uns die Jahreslosung für 2021 erinnern. Dazu sind wir Menschen immer wieder aufgerufen, ob als Christen oder Nichtchristen. Auch wir können in eine Situation kommen, wo wir die tätige Hilfe eines anderen Menschen benötigen. Und das kann schneller passieren als man denkt. Wohl uns, wenn uns dann Barmherzigkeit widerfährt statt nur Mitleid. Jesu Beispielgeschichte endete mit dem Satz „So geh hin und tu desgleichen“. Ich wünsche uns allen den Mut und die Kraft da tatkräftig zu helfen, wo unsere Hilfe gefragt ist. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein schönes Wochenende.
Ronald Smorodinzeff aus Bismark