21.09.2025
Worte aus der Kirche zum 21.09.2025
„Nicht gemeckert ist genug gelobt!“ – Dem Altmärker wird eine gewisse Sprödigkeit nachgesagt. Sie äußert sich unter anderem in so schönen Sätzen wie: „Nicht gemeckert ist genug gelobt!“
Wie steht das so mit Ihrer Kultur der Wertschätzung? Ich ertappe mich regel-mäßig beim „vor mich hin grummeln“, gerade beim Autofahren. „Mann o Mann: unten links ist das Gaspedal; fahren nicht parken! Wie der da wieder rum gurkt. Wo hast Du denn Deinen Führerschein gewonnen?“
Das biblische Motto für die kommende Woche steht im Psalm 103 und ist eine ganz andere Form von Selbstgespräch; eine fröhliche und dankbare Selbsterinnerung. „Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Auf den Kopf gestellt wird daraus allerdings ein bitterer Sarkasmus: „Glotzt nicht beim Loben immer nach oben. Schaut mal zur Seite, dann seht ihr die Pleite.“ Angesichts der vielen negativen Nachrichten aus aller Welt vielleicht nachvollziehbar. Jeden Tag neue Katastrophenmeldungen. Da bleibt einem Lob und Dank manchmal im Hals stecken.
Es gibt sie auch in der Bibel; die Klagepsalmen. Ärger, Angst und Bitterkeit brauchen ihren Ort. Wir dürfen sie Gott anvertrauen. Schon eigenartig, dass uns die Klage oft viel leichter über die Lippen geht als ein fröhliches Loblied.
Besuch bei einer älteren Dame zum 80. Geburtstag. Der Hof frisch gepflastert, das Dach neu gedeckt, das Häuschen wie aus dem Ei gepellt. Die Dame selbst frisch frisiert, strahlend weiße Zähne und fröhliches Treiben der Enkelkinder. Nach meiner Begrüßung und Gratulation seufzt die alte Dame: „Ach, Herr Pfarrer; sind es nicht schreckliche Zeiten, in denen wir leben.“
Das Klagen muss man nicht üben, aber eine Kultur für Lob und Dank dagegen braucht Anleitung und vielleicht auch regelmäßiges Training.
Wie könnte das aussehen? Da gibt es nach dem Abendbrot in der Familie eine feste, ungestörte Zeit für einen Tagesrückblick als tägliches Ritual. Jeder am Tisch, Kinder oder Enkel und auch die Erwachsenen berichten, worüber sie sich an diesem Tag besonders gefreut haben. Man wird erstaunt sein, was da alles an Schätzen auf den Tisch kommt und wie sich Blick und Haltung ins Positive verändern. Dann darf es auch noch eine Mecker-Runde geben: die kleinen Ärgerlichkeiten des Alltags brauchen ihren Raum, sonst machen sie den Magen sauer. Verschweigen hilft jedenfalls nicht. Und in christlichen Familien darf am Schluss ein Abendgebet stehen, als kleine Zusammenfassung für Gott. So hat beides Ort und Zeit. Einerseits ist es tröstlich, dass Gott unsere Klage hört. Aber ganz gewiss hat Gott Freude an unserem Lob!
Superintendent Michael Kleemann, KK Stendal