05.10.2023
Eine Frage der Geduld

"Warum dauert das eigentlich so lange?", frage ich mich mehrmals täglich. Wenn ich auf meine Kinder warte. Wenn die Website nicht schnell genug lädt. Oder wenn ich viel länger für eine Aufgabe brauche, als ich es eigentlich geplant hatte. Oft fehlt mir die Geduld.

Die Welt wurde mit der Erfindung von Internet und Messenger-Apps immer schneller. Dauerte es früher Tage, bis ein Brief seine Empfängerin erreichte, können wir heute immer und überall in Echtzeit kommunizieren. Eine großartige Errungenschaft mit Nebenwirkungen. Eine davon: Vielen fällt es schwer, geduldig zu sein. Geduld ist Übungssache und in einer Welt, wo alles nur einen Klick entfernt ist, gibt es wenig Gelegenheit im alltäglichen Geduld zu üben. Die großen und wichtigen Dinge aber erfordern auch heute noch Geduld. Einen erfüllenden Job zu finden, eine dauerhafte Beziehung zu führen. Oder sich selber anzunehmen, auch mit den eigenen Ecken und Kanten. Das alles erfordert Geduld. Geduld mit der Welt, mit anderen Menschen, mit sich selbst.

Und schließlich kann man ohne Geduld auch nicht glauben. Ein Gott, der kein Wunsch erfüllender Superheld ist, sondern ewig, barmherzig und geheimnisvoll, der lässt sich mit der Erhörung von Gebeten oft mehr Zeit, als mir das lieb ist. Die Bibel ist voll mit Geschichten von Menschen, die mehr oder weniger geduldig gewartet haben: Auf ein Kind, auf das Ende der Flut und den Anfang ihrer Erlösung.

Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard bezeichnet Geduld als einziges Mittel, um seine Seele zu bewahren. Und zwar hilft Geduld dabei, sich selbst anzunehmen. Man muss sich als ganzer Mensch akzeptieren, mit den glänzenden, tollen Seiten. Und den herausfordernden, schwierigen, was eben auch zu jedem dazugehört. Nicht ständig anders sein wollen, besser, klüger, schöner, schneller, sondern so sein, wie man eben ist - wie Gott einen geschaffen hat. So wird man ein geduldiger Mensch, schreibt Kierkegaard, der selbst oft genug mit sich gehadert hat.

Seien Sie geduldig mit sich selbst, dann haben Sie genug Vertrauen ins Leben, um in den alltäglichen Herausforderungen nicht unterzugehen.

Ihre Pfarrerin Dorit Lau-Stöber

(Möringen)